Analog, Digital, Projective
1. Analog
When the photographer steps out into the world, his interest may be “objective” (directed at the object) or “subjective” (directed at himself); what he inevitably does with each focus and shot, however, is establish a relationship between himself and his object – perhaps emotional, perhaps rational, but always a relationship with light.
The basic idea behind the photographed image is that of threads of light between an object (“reality”) and its image (“representation”). It is a relationship we spontaneously perceive as analog – as “logical” and “proportionate” – because it relates to our own experience: analog photographs are images that we can examine with our own eyes and which we therefore believe.
Photography in this sense means analogizing, or creating parallel structures to the visual world. The camera, in the classical sense, is an analogizing apparatus whose output demands respect, as is known: subsequent reworkings, so long as they are not gradual but structural (as in the case of collages or montages), are viewed as tricks inimical to the process, as “alienations” or “manipulations,” as “lies” or “adulterations” – all terms that no longer have meaning in the digital world.
2. Digital
Digitizing breaks up the threads of analogy and makes them calculable. This does not necessarily mean they are destroyed: the pieces (bits) may still form threads of light, much as dots form a line. Now, however, the pieces are free to leave the chains of analogy and to form swarms or pixel patterns that no longer require an object (“reality”), but rather are fed from algorithms, fractal equations, mathematical formulas.
It goes without saying that the digital (binary, discrete) principle is superior to the analog (continuous) principle. Firstly, it does not require an object in order to create; two conditions (digits) suffice. It is thus universal: the digital code as a global language. And secondly, it can reproduce analogies that, according to our perception, are faithful.
Today’s digital images are still predominately simulations or kitschifications of analog images (simulations and kitschifications of “reality”). The digital image has just recently proven that its qualities are equal to those of an analog image, that it is no less colorful, sharp or dense than the chemical photograph. Thus little imagination is required to foresee the scale of the digital revolution, which is not a revolution of photography alone, but of the entire world in which we live. A digital world order is emerging, and it looks as if the analog state will be buried beneath it.
3. Projective
The digitization of the image can be interpreted as the end of photography: photography forfeits its autonomy and the privileges derived therefrom that are cultivated in the analog state. It is caught in the digital maelstrom and then lost. It becomes indiscernible while mingling with particles from other image and sensory sources. Or, digitization can be interpreted as the perfection of photography: photography participates in the digital universality and gains new, expanded functions. If, in the analog state, it was mainly a technique of reference and a visual aid, it now becomes a technique of preference and an instrument of thought.
It is the projective aspect of image-making, and not the objective or subjective aspect, that is significant in the digital context. What in the age of analog photography could be considered a thread of light is now a beam directed into the darkness, whose pulse affords an endless holographic world. The camera as a black (reference) box is replaced by a computing projector.
Hubertus von Amelunxen, Stefan Iglhaut, Florian Rötzer (eds.): Photography after Photography. Memory and Representation in the Digital Age. Amsterdam: Overseas Publishers Association, 1996. ISBN 90-5701-101-8
Analogisieren, Digitalisieren, Projizieren
1. Analogisieren
Wenn der Fotograf hinaustritt in die Welt, mag sein Interesse “objektiv” sein (auf den Gegenstand gerichtet), oder es mag “subjektiv” sein (auf ihn selbst gerichtet), was er indes mit jedem Zielen und Schießen unweigerlich tut, ist eine Beziehung zwischen sich und seinem Gegenstand herzustellen – vielleicht eine emotionale, vielleicht eine rationale, in jedem Fall eine Lichtbeziehung.
Die dem fotografischen Bild zugrundeliegende Vorstellung ist die von Lichtfäden zwischen einem Vorbild und seinem Abbild. Es ist eine Beziehung, die wir spontan als analog empfinden – als “sinn-gemäß”, als “verhältnisrichtig” –, weil sie sich in unsere Erfahrungswelt einfügt: Analoge Lichtbilder sind Bilder, die wir mit eigenen Augen überprüfen können und denen wir deshalb Glauben schenken.
Fotografieren in diesem Sinne heißt Analogisieren, heißt Herstellen paralleler Strukturen zur visuellen Welt. Die Fotokamera im klassischen Sinne ist ein Analogisierungsapparat, dessen Output es bekanntlich zu respektieren gilt: Nachträgliche Bearbeitungen, sofern nicht gradueller, sondern struktureller Art (als Collagen oder Montagen) gelten als verfahrenswidrige Kunstgriffe, als “Verfremdungen” oder “Manipulationen”, als “Lügen” oder “Verfälschungen” – allesamt Begriffe, die in der digitalen Welt keinen Sinn mehr haben.
2. Digitalisieren
Digitalisieren heißt, die Fäden der Analogie zu zerstückeln, sie kalkulierbar zu machen. Das muß nicht ihre Vernichtung bedeuten: Die Stücke (Bits) lassen sich weiterhin zu Lichtfäden aufreihen, so wie Punkte eine Linie bilden. Doch haben die Stücke von nun an die Freiheit, die Ketten der Analogie zu verlassen und sich zu Schwärmen zu ordnen, zu Pixelmustern, die keines Vorbildes mehr bedürfen, sondern sich aus Algorithmen, fraktalen Gleichungen, mathematischen Formeln speisen.
Es liegt auf der Hand, daß das digitale (binäre, diskrete) Prinzip dem analogen (kontinuierlichen) überlegen ist. Erstens nämlich benötigt es keinen Gegenstand, um sich zu realisieren, es genügen ihm zwei Zustände (Ziffern). Das macht es universell: der digitale Code als Weltsprache. Und zweitens kann es Analogien – für unsere Wahrnehmung – getreu nachbilden.
Die gegenwärtigen digitalen Bilder sind noch überwiegend solche Simulationen und Verkitschungen analoger Bilder (Simulationen und Verkitschungen der “Realität”). Denn gerade erst hat das digitale Bild bewiesen, daß es den Qualitäten des analogen in nichts nachsteht; daß es nicht weniger bunt, scharf und dicht ist als das chemische Foto. Indes braucht es keine große Fantasie, um das Ausmaß der digitalen Revolution zu erahnen, die eine Revolution nicht der Fotografie, sondern unserer gesamten Lebenswelt sein wird: Eine digitale Weltordnung ist im Entstehen, und wie es aussieht, wird sie unter sich die analogen Verhältnisse begraben.
3. Projizieren
Die Digitalisierung des Bildes kann als das Ende der Fotografie gedeutet werden: Die Fotografie büßt ihre im Analogzustand gepflegte Autonomie und ihre damit verbundenen Privilegien ein. Sie gerät in den digitalen Sog und verliert sich in ihm. Sie vermischt sich zur Unkenntlichkeit mit Partikeln aus anderen Bild- und Sinnesquellen. Oder sie kann als die Vollendung der Fotografie interpretiert werden: Die Fotografie partizipiert an der digitalen Universalität und gewinnt neue, erweiterte Aufgaben. War sie im Zustand der Analogie vornehmlich Referenztechnik und Sehhilfe, so wird sie nun Präferenztechnik und Denkinstrument.
Nicht der objektive oder subjektive Aspekt des Bildermachens sind mehr von Bedeutung im digitalen Kontext, sondern der projektive. Was im Zeitalter der analogen Fotografie als Lichtfaden gedeutet werden konnte, ist jetzt ein ins Dunkel gerichteter Strahl, in dessen Puls eine endlose holografische Welt erschwingt: Der Fotoapparat als schwarze Beziehungskiste wird abgelöst vom rechnenden Projektor.
Hubertus von Amelunxen, Stefan Iglhaut, Florian Rötzer (Hrsg.): Fotografie nach der Fotografie. Dresden/Basel: Verlag der Kunst, 1995. ISBN 3-364-00361-0